Die Stadtkapelle Illertissen erfreut in der Vöhlinhalle mit einem nicht alltäglichen Konzert. Dirigent Stefan Tarkövi macht seinen Masterabschluss im Fach Dirigieren.
Von Regina Langhans (Illertisser Zeitung)
Im Zuge eines Herbstkonzertes in der gut besuchten Vöhlinhalle stand die Stadtkapelle Illertissen ihrem langjährigen Dirigenten Stefan Tarkövi als Prüfungsorchester zur Verfügung. Damit hat der Masterabsolvent den praktischen Teil im Fach Dirigieren abgelegt. Somit zeigte sich das sinfonische Blasorchester merklich um noch mehr Präzision bemüht. Die rund 65 Mitspieler bewiesen höchste Konzentration.
Moderator Wilhelm Schmid führte informativ durch den Abend. Er zitierte Tarkövi, den es gereizt habe, den zweiten Satz des Orchesterwerks „Trois Nocturnes“ von Claude Debussy (1862 bis 1918) „mit seinen malerischen Klangfarben speziell für sinfonische Blasorchester zu arrangieren“. Dies scheint ihm überaus gelungen: Tarkövi hat es verstanden, das der Komposition innewohnende Klangpotenzial für Streicher ausgewogen auf die Blasregister zu verteilen.
Verstärkt durch effektvolle Percussion-Einsätze wurde daraus ein tolles Hörererlebnis voll spritziger musikalischer überraschungen. So fehlten auch nicht Anklänge ans Original in Form von Vokaleinsätzen oder einem markanten Harfenglissando, in dem Fall ein rasantes Gleiten über die Tasten des E-Pianos. Besonders außerdem: der musikalische Erfolg stellte sich auch ohne Taktstock, dem verlängerten Arm des Dirigenten, ein. Orchester und Leitung schienen geradezu blindlings miteinander zu kommunizieren, akustisch wie optisch ein Genuss, indem etwa die Schlagwerker an ihren Percussion-Instrumenten, darunter vier Stabspiele, dynamisch hin- und herwechselten. Debussys Komposition gilt als wichtiges Werk des musikalischen Impressionismus und bildet so den übergang zwischen der Musik der Romantik und der Moderne. Einen romantischen Anstrich gab die Stadtkapelle ihrem Konzert mit der opulent intonierten Ouvertüre „Hanover Festival“ (Philip Sparke, geboren 1951). Darauf folgte mit „Of Castles And Legends“ (Thomas Doss, geboren 1966) eine programmatische Komposition rund um die Sage von der weißen Frau auf der Kugelsburg im nordhessischen Volkmarsen. Der Stadtkapelle gelang eine kraftvolle Interpretation in der Art von musikalischer Fantasy-Literatur.
Mit einer furiosen Tonfolge zum Einstieg in das schmissig gespielte Capriccio (Hidas Frigyes, 1928 bis 2007), das erst nach dem Schlussakkord mit einem Brummton der Kontrabassklarinette richtig endete, erwies Stefan Tarkövi seiner ungarischen Heimat die Ehre. Zugleich vollzog er einen Schwenk ins Fach der Folklore und Tänze. Mit den „Cajun Folk Songs“ (Frank Ticheli, geboren 1958) bekam das Publikum alte Volksmusik französischer Auswanderer zu hören, die erst in Kanada und schließlich im Louisiana der Vereinigten Staaten landeten. Dabei ging es nach berührenden Saxofonklängen zum Einstieg bald melodisch und schwungvoll in Zweier- und Dreiertakt-Passagen voran.
Mit „Early Hungarian Dances From Gömör“ (Árpád Balázs, geboren 1937) wurde es nochmals folkloristisch, wobei in Ungarn diese Traditionen in die klassische Musik einfließen. Für die Stadtkapelle eine weitere Gelegenheit, im harmonischen Wechseln von Rhythmen und Klangfarben zu glänzen und den Anschein zu erwecken, als käme ihre ganze Klangfülle aus einer einzigen Quelle. Teils ließen sich die Instrumente schon nicht mehr heraushören, indem ihre Melodiepassagen einfach ins nächste Register hinüberglitten. ähnlich bei „Incantation And Dance“ (John Barnes Chance, 1932 bis 1972), einem Standardwerk für sinfonische Blasmusik: Nach beginnendem Flötensolo setzte eine Instrumentalgruppe nach der anderen ein. Bei der gerne gewährten Zugabe mit „Cuban Sound“ (Giancarlo Gazzani, geboren 1941) drehten alle für echte unverfälschte Latin-Klänge nochmals richtig auf: Bläser, Schlagwerker und Ivo Deinigner am Kontrabass als einziger Streicher sowie Dirigent Stefan Tarkövi ohne Stab, der sein Orchester wortwörtlich im Griff hatte.
Zuletzt meldete sich der studierte Trompeter und nunmehr Master mit Abschluss Dirigieren selbst zu Wort: Der Konzertabend sei dank intensiver Probenarbeit und Unterstützung von Gastmusikern wie etwa des Klarinettisten Harald Gerlach möglich geworden, und zum Studium gereizt habe ihn die Corona-Zeit, „weil ich nicht stehen bleiben wollte“. Jetzt, zwei Jahre später, habe er unter Anwesenheit seiner Dozentin Eva Fodor von der Hochschule Stuttgart mit der praktischen Prüfung abschließen können. Somit galt der begeisterte Schlussapplaus beiden, der Stadtkapelle und ihrem Dirigenten.